GVF
Gesellschaft für angewandte Vitaminforschung e.V.

Stellungnahmen

Sternartikel (45/2003): "Viel hilft nicht viel" (deutsch)

Im Untertitel des obigen Beitrags heißt es "Experten raten von den meisten Vitaminpillen und –zusätzen ab. Die so genannten Radikalfänger sind in der Regel nutzlos". Anschließend werden anhand einiger Beispiele negative Studienergebnisse zu Antioxidantien vorgestellt, die jedoch bei genauerer Analyse durchaus positive Schlussfolgerungen zulassen. Die GVF hatte sich seinerzeit aktuell dieses Themas angenommen und eine entsprechende Stellungnahme im GVF-Newsletter veröffentlicht.

Ebenso zu einfach macht es sich der bekannte Lebensmittelchemiker Udo Pollmer, wenn er die Vitamin-Euphorie als "Ablasshandel mit den Essünden" bezeichnet. Diese Meinung steht ihm zwar frei, jedoch sollte ein Publikationsorgan wie der Stern gründlicher recherchieren bevor eine derart einseitige Polemik zur weiteren Verunsicherung des Verbrauchers führt, zumal die wissenschaftlichen Fachgesellschaften, die sich mit dieser Thematik befassen, ganz anderer Auffassung sind. So hat z.B. die DACH Liga Homocystein in ihrem Konsensuspapier vom Mai 2003 Richtlinien und Empfehlungen über den rationellen klinischen Umgang mit Homocystein, Folsäure und B-Vitaminen bei kardiovaskulären und thrombotischen Erkrankungen veröffentlicht (J. Kardiol. 10 (5): 190-199, 2003), wonach es für viele Menschen ratsam erscheint, Vitamine zu substituieren, da diese bei den üblichen Ernährungsgewohnheiten nicht immer in ausreichendem Maße zugeführt werden (z.B. Folsäure) bzw. bei älteren Menschen aufgrund einer Gastritis nicht aus der Nahrung freigesetzt werden können und dementsprechend nicht resorbiert werden können (Vitamin B12)  www.dach-liga-homocystein.org.

Der Aufforderung von Herrn Prof. Steffen vom Bundesinstitut für Arzneimittel "täglich mehrmals Obst und Gemüse zu essen" können auch wir uns nur anschließen, denn mit Obst und Gemüse werden nicht nur Vitamine zugeführt sondern auch weitere Inhaltsstoffe, die eine gesundheitsfördernde Wirkung haben. Die Empfehlungen täglich fünf Portionen Obst und Gemüse (500-700 g) zu essen (five a day) wird jedoch nur unzureichend praktiziert, und deshalb sollte man Alternativen anbieten, die Defizite auszugleichen vermögen, wenn man denn nicht den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung folgen kann oder will. Dazu leisten sowohl maßgeschneiderte (angereicherte) Lebensmittel als auch entsprechende Supplemente und Präparate einen sinnvollen Beitrag.

Die GVF stimmt zwar prinzipiell der Aussage zu, dass zu viel an Vitaminen nicht viel hilft, aber dies sollte nicht dahingehend gedeutet werden (wie im Beitrag erfolgt), dass eine Vitaminsubstitution für breite Teile der Verbraucher überflüssig oder sogar nachteilig wäre.

Da Wunsch und Wirklichkeit bei der Umsetzung von Ernährungsempfehlungen häufig diametral gegenüberstehen, beschäftigt sich die GVF in ihrem  Workshop 2003 mit dem Thema "Sinnvolle Zufuhren und synergistische Effekte von Vitaminen bei Risikogruppen – Empfehlungen für die Praxis –"  und wir würden den Redakteur des Stern sehr gerne zu unserer Veranstaltung begrüßen (Einladung ist erfolgt).

Neben den oben genannten Fachgesellschaften beschäftigt sich der Arbeitskreis "Folsäure und Gesundheit" www.med.uni-magdeburg.de//fme/zkh/mz/projekte/arbeitskreis.pdf mit den präventivmedizinischen Auswirkungen einer Optimierung der Folatversorgung. Das zu diesem Thema erarbeitete Konsensuspapier wird am 10.11.03 verabschiedet und anschließend veröffentlicht. Die defizitäre Versorgungslage speziell mit diesem Vitamin dürfte wohl allen Interviewpartnern des Stern bekannt gewesen sein, und man hätte erwarten sollen, dass auch von diesen eine differenziertere Verbraucheraufklärung gewünscht würde.

Der Tenor des Beitrags wird der präventivmedizinischen Bedeutung der Vitamine in keinster Weise gerecht und erfordert eine Gegendarstellung all derjenigen, die seit Jahren auf dem Gebiet der Vitaminforschung arbeiten und sich ernsthaft um eine Verbesserung der Versorgungslage bemühen. Insofern gibt diese Stellungnahme nicht nur die Meinung der GVF wieder sondern auch die einer Reihe weiterer, nicht in der GVF organisierter Experten.

Erstellt durch:
Prof. Dr. Klaus Pietrzik, Universität Bonn
Institut für Ernährungswissenschaft, Abt. Pathophysiologie der Ernährung des Menschen