GVF - Statement zur Studie von Miller et al.: “Meta-Analysis: High-Dosage Vitamin E Supplementation May Increase All-Cause Mortality”
Forscher der John-Hopkins-Universität führten eine Metaanalyse von 19 zuvor bereits veröffentlichten Vitamin E-Studien mit unterschiedlichen Zielsetzungen durch. Gegenstand der individuellen Studien war, jeweils den Einfluss dieses antioxidativen Vitamins auf eine Reihe chronischer Krankheiten wie kardiovaskuläre Erkrankungen, Krebs, altersbedingte Augenerkrankungen, Morbus Parkinson und Morbus Alzheimer zu untersuchen. Die Ergebnisse der Metaanalyse wurden am 10. November 2004 auf einer wissenschaftlichen Tagung (‚Scientific Sessions’) der American Heart Association in New Orleans präsentiert und gleichzeitig elektronisch in der Fachzeitschrift ‚Annals of Internal Medicine’ (1) veröffentlicht. Schwerpunkt der Metaanalyse war die Frage nach der Mortalität (all cause mortality, allgemeine Sterblichkeit) bei Personen, die Vitamin E erhielten. Dazu kombinierten die Autoren 19 einzelne Studien, von denen 18 keinen statistisch signifikanten Anstieg der Mortalität zeigten.
In 11 der 19 analysierten Studien nahmen Patienten überwiegend im Alter von über 60 Jahren über unterschiedliche Zeiträume hochdosiertes Vitamin E (von den Autoren als 400 IE und mehr definiert) ein. In einer Subgruppenanalyse wurde die Mortalität auf Basis einer Dosis-Wirkungsbeziehung von Vitamin E untersucht. Das verwendete statistische Analysenverfahren (quadratic-linear spline model) tendiert dazu, das Risiko gegenüber dem Nutzen höher zu bewerten, ein anderes statistisches Modell hätte möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt. Die Analyse der Daten ergab, dass hochdosiertes Vitamin E (? 400 IE/Tag) möglicherweise die Sterblichkeit erhöht (34 zusätzliche Todesfälle auf 10.000 Personen), während Vitamin E in niedrigeren Dosierungen das Mortalitätsrisiko senkt (33 Todesfälle weniger auf 10.000 Personen). Sämtliche Studien wurde an Personengruppen durchgeführt, die unter chronischen Krankheiten wie beispielsweise Herzerkrankungen litten, die Hochrisikogruppen angehörten, oder die mangelernährt waren. Die Autoren gestehen daher ein, dass sich die Ergebnisse ihrer Meta-Analyse nicht auf gesunde Erwachsene übertragen lassen. Durch Kombination der Resultate von 19 Studien haben die Autoren theoretisch die statistische Aussagekraft ihrer Analyse erhöht. Allerdings waren die einbezogenen Studien sehr heterogen in Bezug auf die Patientengruppen, ihren Vorerkrankungen und medikamentösen Therapien, die sie wegen ihrer Erkrankungen erhielten, in Bezug auf die zum Teil in Kombination mit Vitamin E gegebenen weiteren Antioxidantien, sowie in Bezug auf die Dauer der Intervention – so reichte z.B. der Beobachtungszeitraum von 1,4 bis zu 8,2 Jahren. Außerdem wurden die Schwachstellen der einzelnen Studien nicht erfasst; manche der Studien wurden doppel-blind durchgeführt, andere dagegen nicht. Es ist daher fraglich, inwieweit die Ergebnisse dieser Meta-Analyse für das wissenschaftliche Verständnis der Rolle von Vitamin E bei chronischen Erkrankungen relevant sind. Die von den Autoren ausgewählte Zielsetzung der allgemeinen Mortalität (all cause mortality) scheint unangemessen, wenn man bedenkt, dass keine der 19 analysierten Studien dieses Ergebnis ursprünglich als primären Endpunkt definiert hatte. In der Tat zeigten einige der Studien in dieser Metaanalyse positive Ergebnisse zu den primären Zielsetzungen der Studien. Dabei handelt es sich um AREDS (2) (verlangsamte Progression der altersabhängigen Makuladegeneration), REACT (3) (vermindertes Vorkommen von grauem Star), ADCS (4) (verzögerte Progression von Morbus Alzheimer), CHAOS (5) (geringeres Vorkommen von nicht letalem Myokardinfarkt) und ASAP (6) (in Verbindung mit Vitamin C langsamere Progression von Atherosklerose). Erst kürzlich ergab eine Studie der Tufts-Universität, Boston, die nicht in die Meta-Analyse einbezogen wurde, dass ältere Menschen nach Einnahme von Vitamin E seltener an Infekten der oberen Luftwege – vor allem Erkältungen – erkrankten (7). Zusammenfassend könnte das Ergebnis dieser Metaanalyse auf der unangemessenen statistischen Analyse einer bestimmten Anzahl heterogener Studien beruhen, von denen einige sehr kleine Populationen untersuchten, und die nicht zum Ziel hatten, die Auswirkung einer Einnahme von Vitamin E auf die allgemeine Mortalität zu analysieren. Folglich ist jedwedes Ergebnis u.U. lediglich ein Zufallsresultat, zumal drei ebenfalls erst kürzlich durchgeführte Metaanalysen keinen negativen Effekt von Vitamin E auf die Überlebensrate feststellten (8-10).
References
Miller, E. R., III, Pastor-Barriuso, R., Dalal, D., Riemersma, R. A., Appel, L. J. & Guallar, E. (2004) Meta-Analysis: High-Dosage Vitamin E Supplementation May Increase All-Cause Mortality. Ann Intern Med: 0000605-200501040-200500110.
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