GVF
Gesellschaft für angewandte Vitaminforschung e.V.

Stellungnahmen

Stellungnahme zu dem Bericht des Handelsblattes vom 05.10.2019 zu dem Thema „Unregulierter Milliardenmarkt: Grüne fordern Zulassungspflicht für Vitaminpillen“

Unregulierter Milliardenmarkt: Grüne fordern Zulassungspflicht für Vitaminpillen
von Dietmar Neuerer, erschienen im Handelsblatt am 05.10.2019 https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/unregulierter-milliardenmarkt-gruene-fordern-zulassungspflicht-fuer-vitaminpillen/v_detail_tab_comments/25085750.html 

Anfang Oktober veröffentlichte das Handelsblatt einen Artikel zum Thema "Unregulierter Milliardenmarkt: Grüne fordern Zulassungspflicht für Vitaminpillen" über die Vorstellungen von MdB Frau Renate Künast und der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Frau Julia Klöckner zu einer Regulierung von "Vitaminpillen". Viele Aussagen des Beitrages sind nicht zutreffend und unzureichend recherchiert, der Ausgangslage zur Zulassungspflicht wurde offensichtlich wenig Beachtung geschenkt. Im Folgenden beschreibt Prof. Dr. Manfred Eggersdorfer, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für angewandte Vitaminforschung e. V. (GVF) die Rolle der Vitamine und kommentiert einige der nicht zutreffenden Aussagen:

  1. Vitamine sind essentiell, Menschen können sie nicht im Körper herstellen, sie müssen über die Nahrung zugeführt werden. Vitamine sind in viele Stoffwechselvorgänge involviert, sie sind wichtig für Wachstum, Gesundheit und Aufrechterhaltung der Körperfunktionen. Weil sie für Menschen (wie auch Tiere) essentiell sind, wurden sogenannte Zufuhrempfehlungen entwickelt, die besagen, wieviel von den jeweiligen Vitaminen pro Tag zugeführt werden soll. Für einige der Vitamine, deren tägliche Zufuhr begrenzt sein soll, wurden gut belegte wissenschaftliche Daten zu sicheren Obergrenzen, die sogenannten Tolerable Upper Intake Levels des Scientific Committee on Food (SCF), d. h. obere Grenzwerte auf Basis von Studien definiert, die über längere Zeiträume nicht überschritten werden sollen. Ein Vitaminmangel führt zu einer sogenannten Mangelerkrankung. Eine Mangelerkrankung ist nicht der Beginn eines Vitaminmangels sondern die finale Erscheinung und zwischen der Mangelerkrankung und Gesundheit gibt es einen breiten Zwischenraum. Wir sollten deshalb von der Abwesenheit von Mangelerkrankungen (in Deutschland) nicht darauf schließen, dass die Bevölkerung entsprechend den Empfehlungen mit Vitaminen versorgt ist. In der Tat zeigt die Nationale Verzehrstudie II, dass für einige der Vitamine die Empfehlungen nicht erreicht werden.

  2. Weiter gibt der Beitrag zur rechtlichen Situation in Deutschland nicht die richtige Aussage. Der Markt von Nahrungsergänzungsmitteln ist alles andere als unreguliert - diese Formulierung ist falsch und verunsichert Verbraucher zu Unrecht, anstatt aufzuklären. Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel, die dem bereits sehr strengen und umfangreichen Lebensmittelrecht unterliegen. Dies ist EU-weit bewusst so geregelt, daran kann ein nationaler Gesetzgeber im Alleingang nichts ändern, es besteht auch kein Grund hierzu. Das Arzneimittelregime ist für Nahrungsergänzungsmittel nicht anwendbar und Teile davon auch nicht übertragbar.

  3. Die pauschale Aussage, Nahrungsergänzungsmittel seien unnütz, ist aus oben genannten Gründen nicht zutreffend. Nahrungsergänzungsmittel sind sicher und können die Versorgungslücke schließen, wenn durch die Diät nicht ausreichend Vitamine zugeführt werden. Gerade bei Risikogruppen wird die Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln empfohlen, um den Bedarf zu decken. Beispiele dafür sind schwangere und stillende Frauen aufgrund des höheren Bedarfs sowie Ältere, weil aufgrund des Metabolismus und des Essverhaltens die Empfehlungen nicht erreicht werden. In großen Studien wurde gezeigt, dass Nahrungsergänzungsmittel das Risiko für ernährungsbedingte Erkrankungen reduzieren können, was ein Gewinn für den Einzelnen sein kann wie auch für die Gesellschaft, weil dadurch Krankheitskosten reduziert werden können. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir anzuführen, dass die Europäische Food und Safety Agency (EFSA) nach wissenschaftlicher Prüfung gesundheitsbezogene Aussagen für Vitamine aufgestellt hat, die auch für Nahrungsergänzungsmittel genutzt werden können.

  4. Die Aussage, dass die "Geschäfte mit Nahrungsergänzungsmittel weitestgehend unter dem Radar der Behörden" laufen ist unzutreffend, insbesondere was den stationären Handel angeht. Nach meinem Wissen werden bei Nahrungsergänzungsmitteherstellern aus den Regalen des stationären Handels deutschlandweit bis zu 800 Proben pro Jahr und Marke gezogen und untersucht. Die Bestellung von Nahrungsergänzungsmitteln über das Internet ist ein anderes Problem und für alle Beteiligten ein großes Ärgernis. Dies kann allerdings nicht durch eine deutsche Regelung gelöst werden.

  5. "Die zuständige Ministerin lehnt eine nationale Regulierung ab" - dieser Satz ist im Beitrag in den falschen Kontext gesetzt und bezieht sich nur auf die Höchstmengendiskussion - die geforderte Änderung des Rechtsregimes (Zulassung) könnte gar nicht auf nationaler Ebene geregelt werden. Der Ansatz der Ministerin, sich für europäische Regelungen für Höchstmengen einzusetzen, ist zu begrüßen, da es den einzig zielführenden Ansatz darstellt.

Für Fragen zu Vitaminen und deren Rolle für die Gesundheit stehen wir gerne zur Verfügung.

 

Stellungnahme zu dem Bericht des Handelsblattes vom 05.10.2019 zu dem Thema "Unregulierter Milliardenmarkt: Grüne fordern Zulassungspflicht für Vitaminpillen"