GVF
Gesellschaft für angewandte Vitaminforschung e.V.

Stellungnahmen

Stellungnahme zur Vitamin E-Diskussion (deutsch)

Lee IM, Cook NR, Gaziano JM, Gordon D, Ridker PM, Manson JE, Hennekens CH, Buring JE.
Vitamin E in the primary prevention of cardiovascular disease and cancer:
the Women's Health Study: a randomized controlled trial (März 2005).
JAMA. 2005; 294:56-65.

Ziel der Untersuchung

Beurteilung des Nutzen/Risikos einer Vitamin E Supplementation (600 IU jeden zweiten Tag) zur Primärprävention von kardiovaskulären Erkrankungen und Krebs bei gesunden Frauen.

Studiendesign

  • randomisiert, Placebo-kontrolliert 39.876 gesunde Frauen (= 45 Jahre) erhielten zwischen 1992 und 2004 entweder Vitamin E oder Placebo und Aspirin oder Placebo; 2 x 2 faktorielles Design

  • Interventionsdosis: 600 IU Vitamin E (RRR-Alpha-Tocopherol) jeden zweiten Tag

  • Mittlerer Follow-up: 10.1 Jahre

Primäre Untersuchungsendpunkte

  • Erstes kardiovaskuläres Ereignis (nicht-tötlicher Myokardinfarkt, nicht-tötlicher Schlaganfall oder Tod infolge eines kardiovaskulären Ereignisses)

  • Totales invasives Karzinom

Ergebnisse

  • Signifikante 24%ige Abnahme der Mortalitätsrate infolge eines kardiovaskulären Ereignisses (RR = 0.76; 95% CI: 0.59-0.98; p = 0.03)

  • In der Vitamin E-Gruppe nicht-signifikante 7% ige Risikoreduktion für ein größeres kardiovaskuläres Ereignis (RR = 0.93; 95% CI: 0.82-1.05; p = 0.26)

  • Ausnahme: die Subgruppe der Frauen = 65 Jahre, in der die Häufigkeit für ein größeres kardiovaskuläres Ereignis in der Vitamin E-Gruppe u m 26% signifikant reduziert war (RR = 0.74; 95% CI: 0.59-0.93; p = 0.009)

  • Kein signifikanter Einfluss auf die Häufigkeit eines Myokardinfarkts (RR = 1.01; 95% CI: 0.82-1.23; p = 0.96) oder eines Schlaganfalls (RR = 0.98; 95% CI: 0.82 -1.17; p = 0.82), und zwar sowohl eines hämorrhagischen (RR = 0.92; 95% CI: 0.61-1.38; p = 0.68) als auch eines ischämischen Schlaganfalls (RR = 0.99; 95% CI: 0.81-1.20; p = 0.88)

  • Kein signifikanter Effekt auf die Häufigkeit eines totalen invasiven Karzinoms (RR = 1.01; 95% CI: 0.94-1.08; p = 0.87), von Brustkrebs (RR = 1.00; 95% CI: 0.90 -1.12; p = 0.95). Lungenkrebs (RR =  1.09; 95% CI: 0.83 -1.44; p= 0.52) oder Kolonkrebs (RR = 1.00; 95% CI: 0.77-1.31; p = 0.99)

  • Kein signifikanter Effekt auf die Gesamttodesrate (RR = 1.04; 95% CI: 0.93 -1.16; p = 0.53)

Folgerungen des Autors

  • Die Aufnahme von 600 IU Vitamin E jeden zweiten Tag bei gesunden Frauen hatte keinen Einfluss auf die Gesamtmortalität und das Auftreten größerer kardiovaskulärer Ereignisse bzw. Krebs. Diese Aufnahmemenge senkt bei dieser Personengruppe aber die Todesrate infolge eines kardiovaskulären Ereignisses.

  • Die bei der Subgruppe Frauen = 65 Jahre unter Vitamin E-Einfluss beobachtete signifikante Senkung der Häufigkeit für ein größeres kardiovaskuläres Ereignis bedarf weiterer Untersuchungen

  • Die erhobenen Befunde unterstützen bei gesunden Frauen nicht die Empfehlung einer Vitamin E-Supplementation zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen oder Krebs.

Kommentar der GVF

Die vorliegende Untersuchung bestätigt, dass die Aufnahme von Vitamin E sicher ist. So wurde bei den untersuchten gesunden Frauen bei einer Vitamin E-Aufnahme von 600 IU jeden zweiten Tag kein Anstieg der Gesamtmortalitätsrate festgestellt. Dieses Studienergebnis unterstützt die Aussage eines kürzlich erschienen Reviews1, in dem die Autoren aus den bisher vorliegenden klinischen Untersuchungen ableiten, dass für die meisten Erwachsenen Vitamin E-Aufnahmemengen unterhalb von 1600 IU sicher zu sein scheinen. Die Aussage steht aber in Widerspruch zu dem Ergebnis der kürzlich erschienen Metaanalyse von Miller et al.2 , der in seine Auswertung jedoch auch Studien mit Versuchspersonen einbezog, die bereits zu Studienbeginn Krebs, Herzerkrankungen oder andere ernste Erkrankungen gehabt hatten.

Der möglicherweise ungünstige Effekt von 400 IU Vitamin E auf die Entstehung einer Herzerkrankung, wie er kürzlich in der HOPE-TOO-Untersuchung3 festgestellt wurde, konnte in der Women’s Health Study nicht bestätigt werden. In der vorliegenden Untersuchung wurden die Studienendpunkte nicht klinisch abgeklärt, sondern durch telefonische oder schriftliche (Fragebögen) Selbstauskunft der Versuchspersonen erhoben (im Todesfall durch Auskunft von Angehörigen oder Post oder durch Recherche im National Death Index), wobei die Ergebnisse derSelbstauskunft jeweils wieder mit den medizinischen Akten abgeglichen wurden. Es ergab sich kein Zusammenhang zwischen Vitamin E und Herzerkrankung.

Obwohl die vorgestellte Untersuchung keinen Vorteil einer Vitamin E Supplementierung auf die Häufigkeit der primären Studienendpunkte “größeres kardiovaskuläres Ereignis” und “totales invasives Karzinom” nachweisen konnte, bewirkte die regelmäßige Vitamin E-Gabe in der Gruppe der fast 20.000 Frauen, die 10 Jahre Vitamin E eingenommen hatten, im Vergleich zu den Frauen, die ein Placebo erhalten hatten, eine signifikante 24%ige Reduktion der Todesrate infolge eines größeren kardiovaskulären Ereignisses. Für die Subgruppe der Frauen = 65 Jahre stellte die Untersuchung darüber hinaus eine signifikante Abnahme der Häufigkeit für größere kardiovaskuläre Ereignisse von 26% fest. In dieser Studiensubgruppe wurde zudem eine 49%ige Abnahme der Todesrate infolge eines kardiovaskulären Ereignisses sowie eine 34%ige Abnahme der Myokardinfarkte festgestellt. Die Autoren nehmen an, dass die beobachtete erniedrigte Todesrate infolge eines kardiovaskulären Ereignisses ein zufälliges Ergebnis der statistischen Auswertung aufgrund der Anwendung multipler Vergleiche ist. Sie räumen jedoch ein, dass der Unterschied signifikant ist und der Befund daher weiterer Untersuchungen bedarf.

Literatur

Hathcock et al.
Vitamins E and C are safe across a broad range of intakes.
Am J Clin Nutr. 2005 Apr;81(4):736-45
http://www.ajcn.org/cgi/reprint/81/4/736

Miller et al., Meta-Analysis: High-Dosage Vitamin E Supplementation May Increase All-Cause Mortality.
Ann Intern Med. 2005 Jan 4; 142(1):37-46
http://www.annals.org/cgi/reprint/142/1/37.pdf

Lonn et al.
Effects of Long-Term Vitamin E Supplementation on Cardiovascular Events and Cancer -
A Randomized Controlled Study (The HOPE Study Extension) = HOPE-TOO JAMA 2005; 293, 1338-1347
http://jama.ama-assn.org/cgi/reprint/293/11/1338